Veteranenpolitik und Wohlfahrtsstaatlichkeit
Birgit Schwelling
Buchbesprechung
Veröffentlicht am: 
15. Februar 2016

Veteranengeschichte als Gesellschaftsgeschichte – mit dieser Formel ließe sich das ambitionierte Forschungsprogramm umreißen, das Klaas Voß (Hamburg) im einleitenden Beitrag des Themenhefts „Schwerter zu Pflugscharen – Veteranenpolitik und Wohlfahrtsstaatlichkeit“ der Zeitschrift Mittelweg 36 in programmatischer Absicht und mit Blick auf die zukünftige, thematisch einschlägige Forschung ausformuliert. Zwei Argumente sind dabei leitend:

Erstens argumentiert der Autor mit Blick auf die Gesellschaft als Ganzes, sind von auf Veteranen ausgerichteten Integrationspolitiken häufig nicht nur heimkehrende Krieger betroffen. Vielmehr lasse sich konstatieren, dass solche Maßnahmen und Instrumente weit in die Gesellschaft ausstrahlen und manchmal sogar zum Umbau ganzer Gesellschaften führen. Für diesen trigger-Effekt der Veteranenpolitik lassen sich in der Tat viele Beispiele finden. So entpuppte sich etwa die von US-Präsident Barack Obama initiierte Kampagne zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit von Veteranen als ein wirksames Instrument, mit dem auch solchen wohnungslosen Menschen geholfen werden kann, die nicht zum Kreis der Veteranen zählen. Die Entstehung eines fortschrittlichen Gesundheitswesens, um eine weiteres Beispiel anzuführen, war in vielen westlichen Staaten bereits seit dem 17. Jahrhundert eng mit der Veteranenversorgung verbunden. Insofern leuchtet es ein, wenn Voß den auf Veteranen bezogenen Wiedereingliederungspolitiken ein erhebliches „Transformations- und Innovationspotential“ (5) zuspricht und damit die Perspektive auf die Veteranenpolitik in Richtung eines „windows of opportunity für gesellschaftlichen Wandel“ (5) hin weitet.

Zweitens ist Voß mit Blick auf die Veteranen als gesellschaftlicher Gruppe daran gelegen, das Bild des radikalisierten, gewaltbereiten, gefährlichen und traumatisierten ehemaligen Soldaten zu revidieren und durch eine alternative Perspektive zu ersetzen beziehungsweise zu ergänzen. Veteranen sollen in seinem Forschungsprogramm nicht als desintegrierte Berserker in den Blick genommen werden, sondern als Auslöser oder Verstärker von positiv zu deutenden Wandlungsprozessen. Damit schließt der Autor an eine neuere Forschungsrichtung an, die Veteranen weniger als potentielle Gefahr sieht, sondern als geläuterte Personen, die ihre brutalen Kriegserfahrungen positiv zu wenden verstehen und sich im Kreis von Gleichgesinnten etwa für Versöhnung, Verständigung und Frieden einsetzen. Auch im Zusammenhang mit diesem Argument geht es darum, das von Veteranen ausgehende Potential für soziale Innovation und politischen Wandel auszuloten. Aus welchen Gründen der Autor dem Themenheft aber ausgerechnet ein Zitat aus dem ersten Teil der Rambo-Serie voranstellt – immerhin sind in der Figur des Vietnamkriegsveteranen John Rambo sämtliche Stereotype einer auf ganzer Linie misslingenden Integration verdichtet – ist angesichts der hier vorgeschlagenen Forschungsperspektive allerdings rätselhaft.

Auf der Grundlage einer fundierten und weit ausgreifenden Auswertung der Forschungsliteratur kann Voß sein Forschungsprogramm auf überzeugende Weise untermauern. In einem bis in die Antike zurückreichenden historischen Abriss zeigt er nicht nur, dass die Reintegration von Veteranen eine sich seit Jahrtausenden stellende Aufgabe darstellt, sondern es gelingt ihm auch, zentrale Handlungsfelder zu identifizieren, in denen sich ausgehend von veteranenpolitischen Steuerungen gesellschaftspolitische Innovationen abgespielt haben. Das Spektrum reicht von Landverteilungs- und Siedlungspolitiken über sozial- und wohlfahrtsstaatliche Instrumente bis hin zu Gesundheitspolitik, Arbeitsmarkt und Bildungswesen. Innovationsschübe lassen sich darüber hinaus ausgelöst durch die Aufgabe der Reintegration von Veteranen in Wissenschaft, Zivilgesellschaft und demokratischer Beteiligung ausmachen.

Angesichts der überwiegenden Fokussierung auf die Probleme und die nicht gelingenden Prozesse der Integration von Veteranen durch die bisherige Forschung leuchtet dieses Plädoyer für einen neuen Blick auf die positiv zu wertenden Effekte zwar unmittelbar ein. Es würde aber noch mehr überzeugen können, wenn das halbleere Glas nicht schlicht durch ein halbvolles ersetzt werden würde, sondern die Inhalte beider Gläser, Levitra n'est pas indiqué chez les personnes de moins de 18 ans. Il n'y a pas d'utilisation justifiée le levitra avec dapoxetine chez les enfants et les adolescents. also beide Perspektiven eine gleichberechtigte Aufmerksamkeit finden würden. Zwar räumt Voß ein, dass es sicherlich auch Ambivalenzen und Grautöne gebe. Er erwähnt „Problem- und Chancenkonstellationen von Integrationsprozessen“ (5), aber seine Programmatik bleibt von der Problemperspektive seltsam unberührt. Dies erstaunt umso mehr, als die weiteren vier Beiträge des Themenheftes durchweg Ambivalenzen und Grautöne sichtbar machen. Alan Forrest (York) etwa zeigt am Beispiel der Veteranen der Französischen Revolution und der Napoleonischen Kriege, dass es neben integrativen Momenten auch Situationen der Ausgrenzung gab, hier derjenigen Veteranen, die auf der „falschen“ Seite gekämpft hatten.

Auch Beispiele für demokratiefeindliche Umtriebe von Veteranen werden thematisiert, wenn Stephen R. Ortiz (Binghamton) am Beispiel US-amerikanischer Veteranen der Zwischenkriegszeit die Furcht der Zeitgenossen vor einer heraufziehenden „Veteranendiktatur“ als nicht ganz unbegründet darstellt. Dass die Befriedung von Veteranen mitunter einen hohen Preis kostet, der aus der Rückschau zwar als notwendig, aber nicht ausschließlich als positiv zu bewerten ist, verdeutlicht Karsten Wilke (Bielefeld) anhand der Veteranenverbände ehemaliger Soldaten der Waffen-SS. Und auch Patrick Hagopian (Lancaster) zeigt Ambivalenzen auf, wenn er die Entpolitisierung und Instrumentalisierung der auch von Vietnamveteranen getragenen Antikriegsbewegung kritisiert.

Voß betont gegen Ende seines einleitenden Beitrags, in der Reintegration von Veteranen „primär einen Motor der Ausdifferenzierung von Staatlichkeit und bedeutsamer gesellschaftlicher Innovation“ sehen zu wollen (30). Damit sind die in den Beiträgen neben den Chancen und Innovationen auch thematisierten Ambivalenzen und Grautöne, Probleme und Kosten der Integration gänzlich verschwunden, und man fragt sich, aus welchen Gründen der Autor diese Seite der Integration aus seiner durchaus interessanten Forschungsprogrammatik ausblenden möchte. Der Ansatz wäre umso überzeugender, wenn es Voß gelänge, beides in den Blick zu nehmen: Chancen und Probleme, Gelingen und Scheitern, Möglichkeiten und Grenzen der Integration von Veteranen. Von einer solchermaßen integrierten Perspektive auf die Integration würde die thematisch einschlägige Forschung zukünftig sicherlich profitieren können.

Schwerter zu Pflugscharen – Veteranenpolitik und Wohlfahrtsstaatlichkeit, Themenheft, Mittelweg 36. Zeitschrift des Instituts für Sozialforschung, Jg. 24, Heft 5, 2015, 87 S., zahlr. Abbildungen, ISBN: 978-3-86854-733-7 (Print), 978-3-86854-818-1 (Online), EUR 9,50

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