Nach dem Großen Krieg, 1918-1923

Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE) - Jahrbuch 2017
Datum: 
Samstag, 9. Juli 2016
Deadline: 
Montag, 31. Oktober 2016

Der Erste Weltkrieg ist im historischen Bewusstsein in erster Linie mit dem Stellungskrieg an der Westfront sowie mit der Staatenordnung der Pariser Friedenskonferenz verbunden. Die einschneidenden Kriegsereignisse im Osten und die Auswirkungen des Konflikts auf das östliche Europa sind hingegen weit weniger präsent.

Das Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa lädt ein zur Mitarbeit an einem thematischen Jahrbuch, das den Fokus geographisch auf das östliche Europa, zeitlich auf die unmittelbaren Nachkriegsjahre richtet. Eine der Kernfragen ist, inwieweit das Jahr 1918 eine echte Zäsur war - während in Bezug auf das Jahr 1945 die "Stunde Null" seit längerem relativiert wird, sind vergleichbare Überlegungen im Hinblick auf das Jahr 1918 bisher eher die Ausnahme.

In der Zeit zwischen dem Frühjahr 1918 und dem Jahresende 1923 hat sich das östliche Europa grundlegend verändert. Bereits 1917 war das Russländische Reich durch die Februar- und die Oktoberrevolution erschüttert und durch den Umsturz der Bolschewiki beseitigt worden. Im Herbst 1918 brachen zwei weitere europäische Imperien, das Deutsche Reich und die Habsburgermonarchie, zusammen. In ihren ehemaligen Machtbereichen entstanden neue Staaten, wie die baltischen Republiken oder die Tschechoslowakei. Polen wurde als Staat wiedererrichtet. Ungarn musste sich mit großen Gebietsverlusten abfinden, ebenso das Osmanische Reich, das bis 1923 zerfiel. Die Friedensverträge von Versailles, Saint-Germain-en-Laye, Neuilly-sur-Seine, Trianon und Sèvres (1919/1920) schufen die völkerrechtlichen Voraussetzungen für die neue Ordnung. Diese Veränderungen betrafen auch die in diesem Raum lebenden Deutschen unmittelbar - nicht nur in politischer, sondern auch in sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht.

Mögliche Fragestellungen für Beiträge könnten lauten:

-   Welche Lösungen wurden im Zuge der Nationalstaatsbildungen für die dort lebenden nationalen und ethnischen Minderheiten gefunden, und wie wirkten sich diese in der Praxis aus? Wie lässt sich die "Volkstumspolitik" verschiedener Staaten im Umgang mit den von ihnen "betreuten" Minderheiten im Ausland aus heutiger Sicht deuten? Welche Rolle spielte die Revisionspolitik - insbesondere Deutschlands und Ungarns - gegenüber benachbarten Staaten innenpolitisch, aber auch im diplomatischen Gefüge der europäischen Staatenordnung?

-   Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede können bei den Deutschen im östlichen Europa hinsichtlich ihres Selbstverständnisses als nationale Minderheiten festgestellt werden? Wie wirkten sich die politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen der Jahre 1918 bis 1923 auf die Zusammensetzung der einzelnen Gruppen aus? Wie entwickelte sich in dieser Zeitspanne ihr Verhältnis zum Deutschen Reich und zu den Ländern, deren Staatsbürger sie nach 1918 geworden waren?

-   Inwieweit lassen sich die Jahre 1918-1923 als eine Phase fortgesetzter Bedrohung und Gewalt beschreiben, in der vielfach innen- und außenpolitische Konflikte, aber auch nationale Gegensätze ungeachtet der Pariser Friedensregelung auf nicht-friedlichem Wege ausgetragen worden sind?

-   Welche sozialen und mentalen Folgen hatten Erfahrungen von Gewalt, Mangelwirtschaft und anhaltender Instabilität? Wie wirkten sich in dieser Hinsicht die erzwungenen Migrationen infolge veränderter Grenzen aus?

-   Welche Rolle spielten alternative, z. B. utopistische, Ansätze zu den traditionellen Gesellschaftssystemen? Welche sozialen und politischen Hoffnungen und Befürchtungen verbanden sich mit dem Entstehen der Sowjetunion und deren propagiertem Internationalismus?

-   Die neue Dimension der Vernichtung von Menschen und Kulturgütern während des Ersten Weltkriegs spiegelte sich in Architektur, Kunst, Musik und Literatur wider. Welche Brüche, Neuanfänge und Kontinuitäten lassen sich während des Krieges und in der unmittelbaren Nachkriegszeit in Kunst und Literatur beobachten? Welche weiterwirkenden Konzeptionen entstanden?

-   Welche Zeichen des Aufbruchs markieren neben den oben genannten Krisenerscheinungen die Nachkriegsjahre 1918-1923 in den Bereichen der verstärkten internationalen Zusammenarbeit, des Völkerrechts, der weitgehenden Durchsetzung demokratischer Grundsätze, der Pluralisierung von Gesellschaften (z. B. Frauenwahlrecht, Frauenstudium)?

Autorinnen und Autoren sind eingeladen, Themenvorschläge mit einer kurzen Erläuterung sowie Angaben zu Person und Forschungsinteresse an Jens Stüben (jens.stueben@bkge.uni-oldenburg.de) zu richten.

Bei Annahme des Vorschlags wird darum gebeten, bis zum 31. März 2017 einen ausformulierten Text im Umfang von maximal 10.000 Wörtern einzureichen.

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Kontakt:

Dr. Jens Stüben

BKGE, Oldenburg

jens.stueben@bkge.uni-oldenburg.de