Sonderausstellung vom 26.05.2013 bis 05.01.2014 im Landesmuseum Mainz
Philipp Altmeppen
Exkursionsbericht
Veröffentlicht am: 
06. Januar 2014

An kaum einem anderen Ort der römischen Welt wird die enge Verzahnung von Wirtschafts-, Sozial-, Politik- und Militärgeschichte so deutlich wie in Mogontiacum – dem römischen Mainz. Dies kann die Sonderausstellung "Im Dienst des Kaisers. Mainz – Stadt der römischen Legionen", die vom 26.05.2013 bis 05.01.2014 im Landesmuseum Mainz zu sehen ist, sehr plastisch und anschaulich darstellen. Nahezu alle Ausstellungsstücke sind Bestände des Landesmuseums und führen eindrucksvoll vor Augen, warum Mainz als "Mekka der provinzialrömischen Archäologie" (Th. Fischer) gesehen werden kann. Eingebettet in den Rahmen der rund 500-jährigen römischen Geschichte von Mogontiacum von der Gründung durch den Feldherren Drusus um das Jahr 13 v. Chr. bis zur Herrschaftsübernahme durch die Franken in der Mitte des 5. Jhds. n. Chr., wird auf der großzügigen und gut gefüllten Ausstellungsfläche die Lebenswelt des römischen Legionärs in Mainz vorgestellt. Betont wird die zentrale Bedeutung des Heeres für die Ansiedlung, die als Standort von zeitweilig vier Legionen, also mehr als 24000 Mann, maßgeblich und nachhaltig durch die Soldaten geprägt wurde.

Im Zentrum der Ausstellung stehen die steinernen Denkmäler, die das römische Militär und seine Angehörigen in Form von Grabsteinen, Weihungen oder Reliefs an Architekturelementen hinterlassen haben. Besonders aus den Grabinschriften kann man häufig Herkunftsgebiete erschließen und auf einer Karte des Mittelmeerraumes, die die Rekrutierungsgebiete zeigt, lässt sich dies gut nachvollziehen. Aber auch Familiensituation, Alter, Dienstränge, Dienstzeit, besondere Leistungen und vieles mehr lassen sich an den Steinen ablesen. An diesen werden hiermit sowohl die Geschlossenheit und klar gegliederte Struktur des Heeres als auch die bisweilen großen individuellen Spielräume der Selbstdarstellung der Soldaten deutlich. Vielfältige ethnische und kulturelle Einflüsse treten zu Tage, die bezeichnenderweise problemlos neben der großen Einheitlichkeit und strikten Organisation des Heeres bestehen konnten. Vor dem anonymen Heerhaufen wird das Bewusstsein des Betrachters auch für die Individuen geöffnet, die im Dienst des Kaisers vor Ort lebten und jeweils als Soldat wie als Individuum in Erinnerung bleiben wollten. So steht neben dem Centurio Bassus, der seine Auszeichnungen auf dem Stein abbilden ließ, der einfache Soldat Caius Iulius Niger mit einem künstlerischen Grabgedicht, das seine militärischen Tugenden nur am Rande erwähnt. Manche Grabsteine zeichnen sich besonders durch Ornamente und ein schönes Schriftbild aus, andere hingegen durch eine äußerst nachlässige Ausgestaltung und simpelste Formeln. Manche Porträts zeigen nur den Kopf des Verstorbenen, andere hingegen, wie das Bildnis des Signifers (Feldzeichenträger) Genialis, den ganzen Körper in voller Montur. Auch auf Säulenbasen des Stabsgebäudes des Legionslagers sind voll ausgerüstete Soldaten beim Marsch zu sehen.

Anhand der Präsentation der im Laufe der Jahrhunderte veränderten Ausrüstungsgegenstände (z. B. andere Beschläge, Ersetzen von Kurzschwert (Gladius) durch Langschwert (Spatha) bzw. Ringknaufschwert) verdeutlicht die Ausstellung die Veränderungen innerhalb des Reiches und die Anpassung des Heeres an neue Anforderungen. Abbildungen der Kleidung und Rüstung des Legionärs sind dabei militärtechnisch besonders aufschlussreich, doch nicht nur die Darstellung auf den Grabsteinen und Reliefplatten vermitteln Eindrücke von der Ausrüstung der Truppen. Die neben den Steindenkmälern zahlreich ausgestellten Bewaffnungs- und Rüstungsgegenstände lassen eine lebendige Vorstellung entstehen vom Erscheinungsbild und der Kampfweise der Soldaten und damit auch der Taktik des kaiserzeitlichen Heeres (besonders betont durch ein lebensgroßes Modell mit rekonstruierter Ausrüstung). Dass Mainz auch in der Forschungsgeschichte römischer Militaria eine Rolle spielt und die Funde für das Reich repräsentativ sein können, wird unter anderem durch Schwerter (Gladius) vom Typ "Mainz" und Helme vom Typ "Weisenau" verdeutlicht, die typisch für die Ausstattung der Legionäre in den ersten beiden Jahrhunderten sind. Wie viele andere Metallfunde, sei es als Votiv oder Verlust, stammen sie aus dem hervorragend konservierenden Rheinbett zwischen Bingen und Mainz. Hierzu gehören auch die ebenfalls charakteristischen Wurfspieße (Pilum), ebenso wie die Schildbuckel der großen rechteckigen und gewölbten Schilde (Scutum), des Weiteren Dolche (Pugio) und Gürtel(-beschläge) (Cingulum), die als eigentliches Abzeichen des Legionärs im Dienst wenigstens getragen werden mussten. Überreste verschiedener Panzerungsarten wie Ketten- oder Schuppenrüstungen sind hier ebenso zu sehen, wie eine, besondere Beachtung verdienende, aufwendig und eindrucksvoll emaillierte und tauschierte Dolchscheide. Bei allen metallenen Stücken, seien es Waffen oder nur Blechteile, ist neben der reinen Funktionalität die künstlerische Prachtentfaltung auffällig, welche ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein mit entsprechendem Darstellungsdrang der Militärangehörigen anzeigt. Verdeutlicht wird dies durch Begleittexte, Umzeichnungen und Abbildungen insbesondere dort, wo die nüchternen metallenen Überreste auf den modernen Betrachter nicht mehr so eindrücklich wirken.

Die ausgestellten Gegenstände der Unterhaltung, etwa ein "Spielbrett", i.e. ein geritzter Dachziegel mit Spielsteinen sowie Würfeln machen deutlich, dass es für den Soldaten auch ein Leben jenseits des Dienstes gab, wohingegen ein Arztbesteck und die Stempel zur Kenntlichmachung von Salben eines Augenarztes den Ausstellungsbesucher auf das zu dieser Zeit außerordentlich hohe Niveau der Gesundheitsfürsorge für Legionäre hinweist.

Der römische Legionär war jedoch nicht nur professioneller Kämpfer, sondern auch im Frieden ein wichtiger Fachmann für verschiedenste Aufgaben: Die schweren Schanz- und Bauwerkzeuge wie Äxte, Hacken, Zangen, Spaten und Dechseln erleichtern es sehr, sich vorzustellen, dass viele Bauwerke und Teile der Infrastruktur in und um Mainz, darunter auch Großbauprojekte wie Aquädukt und Bühnentheater von den Pionieren der Legionäre errichtet wurden. Aber auch nach den ersten Bauphasen blieb das Militär wichtig für die Bauwirtschaft der Provinz in und außerhalb von Mainz, wie die mit dem Legionsstempel versehenen Ziegel aus Rheinzabern, Frankfurt-Nied und Worms zusammen mit einer Weihung des Vorstehers der Ziegelei und Bauinschriften belegen. In einer digitalen Präsentation wird auch die Bebauungsgeschichte des römischen Mainz (weitgehend hypothetisch) rekonstruiert.

Im 1. Jhd. n. Chr., in einer Zeit, in der Germanenfeldzüge und Bürgerkriege mit Beteiligung der Mainzer Legionen ausgefochten wurden, wechselten sich viele verschiedene Einheiten in Mainz ab, die in der Ausstellung durch ihre jeweiligen Repräsentanten auf Grabsteinen vertreten werden. Insbesondere wird dabei immer wieder verwiesen auf die 22. Legion, welche dort als "Mainzer Hauslegion" seit dem Ende des 1. Jhds. bis weit ins 4. Jhd. stationiert war.  Jedoch gab es in Mainz nicht nur Legionäre. Diese bildeten zwar als schwere Infanterie den Hauptkörper des römischen Heeres, mussten aber durch andere Verbände unterstützt werden. Auch auf diese anderen Waffengattungen, v.a. Kavallerie und Spezialisten wie Bogenschützen, geht die Ausstellung anhand von Grabsteinen der Auxiliare, also provinzialer Hilfstruppen ohne römisches Bürgerrecht ein. Hier sind die teils imposanten Reitergrabsteine hervorzuheben, besonders aber der Grabstein des Monimus, eines Bogenschützen aus dem heutigen Palästina, der sich zwar mit seiner Bewaffnung, aber in einem unkriegerischen Gewand abbilden ließ. Auch die Integrationskraft des Heeres für die Provinzialen und die durch den Militärdienst aktiv betriebene Romanisation bringt einem die Ausstellung sehr nahe. Als Beleg dient hier das Militärdiplom des Auxiliarsoldaten Mucapor. Es belohnt diesen und dessen ganze Einheit durch eine ehrenhafte Entlassung nach 25 Dienstjahren mit dem römischen Bürgerrecht.

Ein Bonus der hier vorgestellten Ausstellung ist die enge Anbindung an die Römische Sammlung des Landesmuseums Mainz, einer der bedeutendsten ihrer Art in Deutschland. Nach dem Besuch der Sonderausstellung und ihrem Fokus auf das Militär in Mainz lohnt sich daher ein anschließender Besuch der beeindruckenden "Steinhalle", um den Niederschlag der römischen Kultur in Form der bis heute erhaltenen Zeugnisse auch der zivilen Bevölkerung Mogontiacums auf sich wirken zu lassen. Schließlich prägten nicht nur die militärischen und baulichen Tätigkeiten der Soldaten, sondern auch deren Lebensart selbst die Romanisierung der Stadt und ihrer Bewohner.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ausstellung einem fachkundigen Publikum nicht viel Neues zu bieten hat, das Bekannte jedoch sehr ansprechend und reizvoll darstellt und eine gute Gelegenheit bietet, sich aus der Nähe mit hervorragenden und auf viele Fragen antwortenden Quellen auseinanderzusetzen. Wenn man tiefer in die Thematik und die Forschungsprobleme einsteigen möchte, lässt einen der wenig opulente Katalog, der kaum zusätzliche Informationen und keine weiterführende Literatur bietet, leider etwas im Stich. Aber für jemanden, dem die Materie neu ist, bietet sich durch einen repräsentativen Querschnitt bei gleichzeitiger Verdichtung auf einen gut genutzten Raum ein denkbar guter Einstieg bzw. Einblick nicht nur in den Alltag des römischen Militärs, sondern auch dessen Einfluss auf Gesellschaft und Geschichte von Mainz und des gesamten Reiches.

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Signifer Genialis, Landesmuseum Mainz, GDKE, Foto: P.Altmeppen
Prachtdolch mit emaillierter und tauschierter Scheide, Landesmuseum Mainz, GDKE, Foto: P.Altmeppen
Militärdiplom des Mucapor, Landesmuseum Mainz, GDKE, Foto: P.Altmeppen
Steinhalle, Landesmuseum Mainz, GDKE, Foto: P.Altmeppen
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